Kauf einer Mercedes W211 E-Klasse

Warum?

Eigentlich bin ich BMW-Fahrer und war sehr zufrieden mit dem E39 530i den ich fast vier Jahre gefahren bin. Nach 21 Jahren und 340.000km auf der Uhr hatten sich aber einige kleine aber nervige Probleme entwickelt, wie Türen und Fenster die nicht mehr richting öffnen und schließen. Da es auch noch Zeit für neue Reifen war, wollte ich mich lieber nach einer Alternative umschauen statt noch mehr Geld reinzustecken.

Leider war die Auswahl recht begrenzt. Aus steuerlichen Gründen musste das Auto minimal 15 Jahre alt sein. Ich weiss nicht, ob es durch den Corona-bedingten Automangel und die damit verbundenen gestiegenen Gebrauchtwagenpreise kommt, aber ich hatte den Eindruck, dass es deutlich weniger Auswahl gab als vor vier Jahren. Ich wollte etwas, das dem E39 in etwa entsprach. Sein Nachfolger (die Baureihe E60) war für mich keine Option, da 1) er mir nicht gefällt und 2) den Ruf hat, unzuverlässig zu sein, vor allem was die Elektronik betrifft.

Der Dreier (E90) wäre eine Möglichkeit gewesen, aber auch hier gabs Hindernisse. Die meisten die hier angeboten werden sind 318er, und soviel Leistungsverlust wollte ich nicht hinnehmen. Die einzige Option wäre der 325, aber die die ich gefunden habe, hatten entweder sehr viele Kilometer drauf oder waren recht teuer. Als ich mir ein paar angeschaut habe, ist mir auch wieder aufgefallen, wie relativ klein ein Dreier im Innenraum ist verglichen mit einem Fünfer oder einer E-Klasse. Audi ist nicht mein Ding, VW Passat wäre noch gegangen, aber auch da konnte ich nichts Interessantes finden.

So ergab es sich, dass nur noch die E-Klasse der Baureihe W211 übrig blieb.

Modelle und Austattung

Den W211 gab es in drei Austattungslinien. Classic war das Basismodel, aber essenzielle Sachen wie Tempomat und Klimaanlage waren auch hier Serie. Der Elegance hat im Innenraum schöneres Dekor und Beleuchtung und außen Chromakzente. Das gilt auch für den Avantgarde, der dazu Xenon und Sportfahrwerk hatte. Auch die Holzapplikationen unterscheiden sich bei den drei Linien.

Es gab sehr, sehr viele Sonderausstattungen, es lohnt sich darum, sich eine alte Preisliste anzuschauen. Das COMAND Radio/Navi findet man recht häufig, genau wie Telefonvorbereitung. Viele Sachen sind eher optischer Natur. Funktional gibt es den Distronic Abstandsregeltempomat, Vier-Zonen-Klima, Sonnendach und Sportfahrwerk. Letztendlich würde ich hier nur die Parktronic als Muss bezeichnen.

Mitte 2006 gab es eine Modelpflege (MOPF). Die MOPF Autos erkennt man an der geänderten Frontschürze mit ovalen Nebelscheinwerfern, anderen Außenspiegeln, Antenne auf dem Dach statt der Heckscheibe und anderen Rückleuchten. Im Innenraum gab es ein neues Lenkrad. Technisch ist der Entfall der SBC Bremse der größte Unterschied.

SBC Bremse

Der heikelste Punkt was den Vor-MOPF W211 betrifft ist die SBC Bremse. SBC ist die Abkürzung für servotronic brake control. Es handelt sich dabei um ein elektrohydraulisches brake-by-wire System, bei dem der Hydraulikdruck nicht von einem konventionellen Hauptbremszylinder sondern von einer Pumpe kommt. Vorteile sind unter anderem eine bessere Einzelmodulation der vier Bremsen (für ESP und ABS), die Möglichkeit nur mit dem Gaspedal zu fahren und das regelmäßige leichte Anlegen der Beläge um (vor allem im Regen) die Bremsscheiben zu reinigen – ohne dass der Fahrer das im Pedal spürt.

Der Nachteil: Das System stellte sich als weniger zuverlässig als erhofft raus. Es gab mehrere Rückrufaktionen um die SBC-Einheit durch eine verbesserte Version auszutauschen. Bei der Modellpflege wurde sie sogar aus dem W211 entfernt, Maybach und SL behielten sie jedoch. Meiner Meinung nach bedeutet das, dass der Grund für das Entfernen nicht das Gefahrenpotential war, sonder die Kosten für Gewährleistung und Kulanz. Die waren bei den kleinen Stückzahlen beim SL niedriger als die Kosten der Modifikation.

Jede SBC-Einheit hat auf der Oberseite einen Code der die Version angibt. A005 ist die erste Version die als zuverlässig gilt, ein Auto mit einer früheren Version würde ich stehenlassen. Zur Zeit wird bei Reparatur wohl die Version A009 verbaut. Ab A005 ist plötzlicher Ausfall sehr unwahrscheinlich. Selbst bei Totalausfall gibt es einen Notbremskreis, allerdings ohne Bremskrafverstärker, weshalb man sehr viel Pedaldruck braucht. Die SBC-Einheiten haben einen internen Zähler der irgendwann das Signal gibt die Werkstatt aufzusuchen und die Einheit zu ersetzen. Es gibt Möglichkeiten den Zähler zurückzudrehen, das sollte man aber keinesfalls machen. Eine neue Einheit von Mercedes kostet etwa €2.000, manchmal gibt es aber noch immer Kulanz. Revision ist auch möglich und deutlich günstiger.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein MOPF Auto den Vorzug hat. Aber ein Vor-MOPF in gutem Zustand, interessanter Austattung und minimal der A005 SBC-Einheit kann sich lohnen, wenn man bei den Preisverhandlungen den möglichen Austausch der SBC-Einheit mitnimmt.

Motoren

Der E240 der in den frühen W211 recht häufig ist gilt als langsam und durstig. Die M271 Vierzylinder sind berüchtigt für gelängte Steuerketten. Ich würde auch einen großen Bogen um die CGI Direkteinspritzer machen. Diesel interessieren mich nicht. Meine Empfehlung wären die späteren V6 (E280 und E350), der M272 Motor. Diese haben natürlich schon Nockenwellenverstellung und Schaltsaugrohr, sind aber weniger kompliziert als die BMW-Motoren aus der gleichen Zeit (mit Valvetronic) und haben noch Saugrohreinspritzung statt Direkteinspritzung. Durch die Ausgleichswelle laufen die V6 sehr geschmeidig. Als Daily wäre ein V8 nicht meine Wahl, aber wenn du Spaß haben willst und der Spritverbrauch egal ist… Einen E55 und E63 AMG gab es auch.

Ein handgeschaltetes Sechsganggetriebe war Serie, aber die meisten Autos sind Automatik – entweder Fünfstufen oder Siebenstufen.

Häufige Probleme

Rost, ein großes Problem beim Vorgänger W210, ist beim W211 kein wirkliches Problem – Ausnahmen gibts immer. Das Air Ride Luftfahrwerk ist problematisch, Finger weg. Kombis haben hinter immer Luftfederung. Das normale Fahrwerk ist auch nicht problemlos, z.B. Querlenker vorne – nichts Neues für Ex-BMW-Fahrer. 😉

BMW behauptet, dass ihre Automatikgetriebe keine Ölwechsel brauchen (stimmt nicht). Mercedes ist hier schlauer und schreibt Ölwechsel alle 60.000km vor. Regelmäßiger Kundendienst ist darum wichtig, einschließlich der Getriebeölwechsel. Ich würde die Finger lassen von Autos mit lückenhafter Wartungsgeschichte.

Die Suche

Ich habe nach Autos mit Baujahr 2006 bis 2008 gesucht, mit weniger als 300.000 km auf der Uhr und V6 Motor. Es musste auch ein Händler sein, da ich den BMW in Zahlung geben wollte. Die Auswahl war sehr begrenzt. Ich habe mir einen MOPF E280 Classic angeschaut, der war lackmäßig aber ziemlich fertig und der Innenraum sehr fleckig. Der gleiche Händler hatte auch einen älteren Avantgarde in Tealitblau, das war aber ein 200K. Ich habe auch einen MOPF Avantgarde E280 gesehen, aber der hatte schon 290.000 km runter und der Händler war im Urlaub. Deutlich die beste Option war ein schwarzer E280 Elegance. Erstzulassung Anfang 2007, aber Vor-MOPF und 230.000km. Lack und Innenraum sahen wirklich gut aus, die Probefahrt war auch gut. Da der Preis deutlich niedriger war als bei den MOPF Autos, mit genug Luft für eventuelle Arbeiten an der SBC, habe ich mich getraut und ihn gekauft.

Mein Auto

Es ist ein E280 in Obsidianschwarz (ein reines Schwarz, ohne den Grün- oder Blaustich der anderen metallic schwarz Lacke) mit Sierragrauem Lederinnenraum. Erstzulassung war im März 2007, etwa 9 Monate nach Produktionsende. Ich weiss nicht, was das Auto in der Zwischenzeit gemacht hat – ich vermute ein Austellungsstück bei Mercedes NL oder einem Händler. Eine Datenkarte war nicht dabei, aber er hat auf jeden Fall das COMAND Navi, Linguatronic, Parktronic und die Siebengangautomatik. Es war ein Garagenauto und sieht darum ziemlich gut aus für das Alter. Die Felgen brauchen etwas Aufmerksamkeit – zum Glück sind es nicht die serienmäßigen 13-Loch Felgen, sondern die hübscheren Doppelspeichenräder.

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